Es sind herausfordernde Zeiten – wer wollte das bestreiten? Auf diesen Befund, liebe Leserin, lieber Leser, hätten wir uns wohl auch dann gut einigen können, wenn die Corona-Pandemie gerade nicht um die Welt ginge. Nun ist sie aber da und beherrscht seit einem halben Jahr nicht nur die Nachrichten, sondern zu einem ›guten‹ Teil auch unser alltägliches Leben.
Wenn ich auf dieses letzte halbe Jahr in unserer Ordensgemeinschaft zurückschaue, dann darf ich, glaube ich, sagen: Auch wir Augustiner wurden herausgefordert, aber wir haben uns auch herausfordern lassen. Dabei waren die Reaktionen auf Corona bei den einzelnen Mitbrüdern und in den verschiedenen Konventen ganz unterschiedlich – so, wie wir Augustiner eben sind. Vieles und ganz Unterschiedliches wurde da versucht, sowohl im Zusammenleben als auch in der Pastoral und bei den vielfältigen internen Aufgaben in unserer Provinz. Wussten Sie etwa, dass wir jetzt eine »Konferenzeule« haben, die auf dem Tisch steht, nach allen Seiten hören und sehen kann, mit ihren großen Kameraaugen aussieht wie eine lustige kleine Eule und so die Teilnahme an einer Sitzung per Videokonferenz deutlich erleichtert?
Ja, Corona hat unser Leben geprägt. Aber uns davon beherrschen lassen, das wollten und wollen wir nicht. Das soll auch diese Ausgabe des AUGUSTINERs widerspiegeln: Die Pandemie hat ihren Platz darin, und sie war auch der Anstoß zur Wahl des Themas. Aber eine geistige Ausgangsbeschränkung haben wir uns nicht von ihr auferlegen lassen. Die Weite des Blicks wollen wir uns nicht nehmen lassen. Denn Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft gibt es auch jenseits von Corona genug.
So zeigt Josef Römelt CSsR einen ›Synodalen Weg‹ auf, mit dem die katholische Kirche in Deutschland den Herausforderungen der Gegenwart auf Augenhöhe begegnen kann und trotzdem – oder muss es heißen: gerade so? – der Herausforderung gerecht wird, die ihr von ihrer bleibenden Mitte Jesus Christus gestellt wird.
Die Ausgangsbeschränkungen des ersten Halbjahres scheinen unseren P. Lukas zum Schreiben herausgefordert zu haben. Zum einen nimmt er den 125. Jahrestag der Neugründung der deutschen Augustinerprovinz am 2. Oktober 1895 zum Anlass, in die Geschichte zurückzuschauen und die Herausforderungen, vor denen die Brüder damals standen, mit unsren heutigen in Bezug zu setzen.
Zum anderen blickt er auf die Erfahrungen des letzten halben Jahres in unserer Ordensprovinz zurück und fragt unter anderem, was darin an Phantasie und Vitalität aufgeblitzt ist, die uns in die Zukunft führen können.
Martina Bauer berichtet vom Alltag in Corona-Zeiten außerhalb der Klostermauern, von Strategien und gelungenen Lebensmomenten, ohne die Schwierigkeiten und Momente der Lethargie zu verschweigen.
P. Georges, der als Vikar unseren Mitbrüdern im Vikariat Kongo vorsteht, berichtet über die Herausforderungen, denen sich die Brüder dort gegenübersehen – und das sind bei allen Schwierigkeiten auch viele gute!
P. Lukas – ja, er kam richtig in Fahrt! – zeigt auf, wie herausfordernd es sein kann, wenn die eigenen Eltern alt werden und der Pflege bedürfen – erst recht, aber bei Weitem nicht nur unter Pandemiebedingungen.
Br. Christian gibt einen Einblick, wie unser Ordensvater Augustinus mit einer der großen Herausforderungen seiner Zeit umgegangen ist – und das ist auch für uns heute ganz schön herausfordernd …
Im Interview berichten Sandra und Ludwig Knoll vom Weingut am Stein in Würzburg, vor welchen Herausforderungen Winzer stehen, die in Zeiten des Klimawandels nachhaltig und ökologisch Weinbau betreiben wollen.
So, jetzt habe ich in diesem kurzen Editorial so oft den Begriff »Herausforderungen« benutzt, dass sich jedes professionelle Mitglied der schreibenden Zunft herausgefordert sehen würde, es mir um die Ohren zu hauen. Daher schließe ich mit dem herzlichen Wunsch, dass auch diese Ausgabe des AUGUSTINERs Sie nicht allzu sehr herausfordert, und wenn doch, dann zu guten und kraftspendenden Gedanken!
Br. Christian OSA