Liebe Leserin, lieber Leser,
»Berufung« ist – gerade auf dem Hintergrund einer Veröffentlichung aus dem katholischen Umfeld – ein religiös besetzter Begriff. Gibt man allerdings den Begriff bei Wikipedia ins Suchfeld ein, dann erscheint »Verspüren eines ›inneren Rufes‹ zu einer bestimmten Lebensaufgabe« erst an dritter Stelle. Davor – auf Platz zwei – rangiert »Rechtsmittel gegen ein Urteil«, also ein juristisches Vorgehen, und an erster Stelle steht die »Ernennung in ein Dienstverhältnis, auch Aufforderung zur Annahme eines Lehrstuhls oder einer Professur« und somit ein verwaltungstechnischer Vorgang. Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS – https://www.dwds.de/) setzt die Gewichte leicht anders. Dieses Wörterbuch formuliert an zweiter Stelle »durch Fähigkeit und Neigung vorgezeichnete Bestimmung, Lebensaufgabe« und distanziert sich so auch von der Festlegung auf ein religiöses Geschehen, wenn es um eine »Lebensaufgabe« geht.
Und einer solchen Festlegung wollen auch wir mit dieser aktuellen Ausgabe des AUGUSTINERs nicht erliegen. Wie unsere Leser*innen es gewohnt sind, wollen wir das Phänomen der Berufung von verschiednen Aspekten her anschauen. Natürlich gehört die religiöse Seite dazu. Doch schon der Leitartikel von
P. Felix weitet die Berufung von einem religiösen Lebensentwurf hin zu einem Blick auf die Sinnhaftigkeit und den Sinngrund einer gelingenden und zufriedenstellenden Lebensaufgabe.
Michael Sankowsky, P. Lukas und P. Jörg Dantscher SJ widmen sich dann dem religiösen Verständnis von Berufung – aber ebenfalls aus verschiedenen Blickwinkeln und zum Teil mit sehr persönlichen Ansätzen. Wenn man diese Beiträge dann mit jenen von Dieter Schanzer aus dem schulischen Lebensumfeld und von Harald Merk, der auf dem Hintergrund seiner reichen beruflichen Erfahrungen schreibt, in Beziehung setzt, wird noch klarer, dass Berufung ganz allgemein etwas mit Leben, Lebenssinn, Lebensgestaltung und Lebenszufriedenheit zu tun hat.
Ergänzt werden die genannten Artikel gleich zu Beginn des Heftes von fünf kurzen Selbstaussagen, in denen die Autor*innen darstellen, warum ihre Berufe, ihre Berufung für sie zur tragenden Lebensentscheidung geworden sind.
Am Ende dieser zweiundzwanzigsten Ausgabe des AUGUSTINERs berichtet dann Br. Carsten von der Reise in die Demokratische Republik Kongo, auf die er sich zu Beginn des Jahres mit Br. Peter begeben hat. Auch da scheint immer wieder die Berufung und auch die Begeisterung auf, mit der sich Menschen für Menschen einsetzen und vieles dafür tun, damit sich Lebensmöglichkeiten öffnen können – und das ist, um den Kreis zu schließen, wie auch immer zutiefst christliches Tun, da es Reich Gottes aufscheinen und wirklich werden lässt.
Ich wünsche, auch im Namen aller Brüder im Redaktionsteam, Euch und Ihnen allen viel Spaß und vielleicht auch die eine oder andere Entdeckung bei der Lektüre dieser Ausgabe.
Ihr/Euer P. Lukas